
Was aus den Bremer Stadtmusikanten geworden ist?
Wenn sie nicht gestorben sind. Sie sind gestorben.
Die Alters-WG im Räuberhaus ist aufgelöst.
Ulrike Andersen zeigt uns vier Abschiede von vier Individuen,
von Dingen, von Erinnerungen. Wer verabschiedet sich von wem?
Esel, Hund, Katze und Hahn verabschieden sich hier nicht voneinander,
sie treffen sich nicht, jede, jeder ist für sich. Jede*r stirbt für sich allein.
Es ist die Figurenspielerin, die sich verabschiedet.
Von ihrem Theater, von ihrem Publikum, ihren Spielzeugen – und
stellvertretend von diesen vier tierisch-menschlichen Figuren.
Sie präsentiert die vier Charaktere mit ihren unterschiedlichen Temperamenten
in vier aufeinander folgenden Szenen, um sie einzeln zu würdigen.
Sie macht die Symbiose zwischen ihr und ihnen sichtbar und zeigt sie zugleich
in ihrer Eigenständigkeit, ja Selbstbestimmtheit, gerade im Vorgang des Sterbens.
Sie begleitet ihre Wesen buchstäblich auf Schritt und Tritt, beschreitet den
ganzen Raum und das (fast) ohne ein einziges Wort. Sie ist Lebensspenderin und
Sterbebegleiterin gleichermaßen, Schutzengel, stille Therapeutin, guter Geist, Seele
und Körper, tatsächlich von den Finger- bis in die Fußspitzen. Sie macht
dabei die Illusion durchschaubar und erschafft sie im selben Moment neu.
Sie ist Schöpferin und Dekonstrukteurin, Gestalterin aller Dinge, ist Gott und
Tod – wie jede empathische Figurenspielerin.
Wir sehen einen Sperrmüllhaufen an unbekanntem Ort. Entsorgte Leben.
Der Hund kommt, um seine Hinterlassenschaft dort abzulegen.
Aber auch den anderen drei Gestorbenen gebührt die öffentliche
Aufmerksamkeit. So gelingt es der Spielerin, sie würdig und wortwörtlich zu reanimieren.
Kein Pathos, kein Vermächtnis, keine Botschaft, vielleicht nur eine stille
Antwort. Gibt es etwas Besseres als den Tod? Gelebt zu haben.
Und loslassen zu können.
(Text: Martin Leßmann)
Den Probenprozess haben diese Künstler und Künstlerinnen mit ihren
Augen und Ideen begleitet und mitgestaltet:
Martin Leßmann, Claudia Hanfgarn, Martin Kemner, Eberhard Holbein
Figurenbau und -spiel: Ulrike Andersen
Fotos: Martina Buchholz
Technik: Annika Jaeger
Der Hund
Wir sehen den Hund sein schweres Leben im Müllsack hereintragen. Er
entsorgt es und sich selbst auf dem einzig sichtbaren Sperrmüllstapel.
Nur niemandem zur Last fallen und nicht zu viel Platz einnehmen am Ende.
Aber auch ein letztes Staunen darüber, wo es denn eigentlich geblieben ist,
dieses ganze lange Leben.
Der Hahn
Er kommt als omnipotenter Überflieger daher und stolpert er Ende über
die Frage, ob sein Leben nicht auch ganz anders hätte verlaufen können.
Vielleicht? Kann man denn nicht einfach noch einmal von vorne anfangen?
Kann man nicht.
Und so reibt er sich im Kampf des männlichen Identitätskonflikts an
Seinen eignen Kräften auf und geht zugrunde.
Die Katze
Die Katze, die, umhüllt von Melancholie und Erinnerungsverlust, in ihrer
Besonderen Welt Orientierung sucht, findet und sie wieder verliert.
Die sich auflöst, zerfällt und sich neu erfindet, immer seltsamere Formen
annimmt bis sich ihr Lebenskreis schließt und sie sich geborgen ins Ende schmiegt.
Der Esel
Wir begegnen schließlich dem Esel, der mit seiner grenzenlosen Lebensfreude
alle möglichen Herausforderungen sucht, findet, sie freudig annimmt,
meistert und ihre Bewältigung feiert. Und der schließlich auch die
letzte Schwelle tanzend als nahtlosen Übergang erlebt.